Hans-Ullrich Kuhn

HOINZI

Der IKS

JUNGGESELLINNENABSCHIED

Wir sind in München, Ute hat Hörgereäteakustiker-Klassentreffen. Nach einer Stadtrundfahrt im Bus beschließen wir, noch einen Schoppen am Chinesischen Turm im Englischen Garten zu machen. Es ist ca. 16.00 Uhr, das Wetter ist ziemlich durchwachsen, ab und an nieselt es. Daher sind die Biergartengarnituren ungewohnt leer und wir haben freie Platzwahl. Wir sind 20 Leute und sitzen an zwei Garnituren, neben mir sind einige Plätze frei. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass eine Gruppe von fünf jungen Frauen zwischen den Biergarnituren durchläuft, eine davon hat ein Froschkostüm an. Ob dieser Kostümierung stutze ich zwar kurz, da ich aber gerade in ein Gespräch vertieft bin und darüber hinaus mittlerweile gelernt habe, dass es so gut wie keinen Ort auf der Welt gibt, an dem keine Bekloppten rumlaufen, vergesse ich den Anblick auch gleich wieder.

Ein paar Minuten später setzt sich diese Girlgroup plötzlich, ohne groß zu fragen, zu uns auf die Bank, wobei sich das Froschkostüm neben mir platziert. Sie zieht einen Zettel aus einer ihrer Froschtaschen und spricht mich direkt an, indem sie sehr sorgfältig und langsam von ihrem Zettel abliest: „Was würdest Du mir raten, damit unsere Ehe glücklich wird?“. Ach Du je, jetzt kapiere ich es. Junggesellinnenabschied! Und die bedauernswerte Ehefrau in spe landet ausgerechnet bei mir. Bei mir, der die Ehe nicht nur entschieden ablehnt, sondern sie auch für eines der größten Unglücke hält, die es gibt! Was bitte, was soll die Ehe bringen außer Steuervorteilen und Witwenrente (brauch ich nicht zu gendern, der Mann stirbt ja sowieso grundsätzlich zuerst!)? Solange ein Paar sich einig ist uns sich liebt, braucht es keine Ehe. Und wenn die beiden sich streiten und trennen wollen, ist eine Ehe nur lästig. Früher gab es zumindest noch einen Grund für eine Heirat, nämlich, wenn Kinder da waren. Denn da war es so, dass die Kinder grundsätzlich der Mutter zugewiesen wurden, der Mann hatte keinerlei Rechte, er durfte ohne Erlaubnis der Mutter mit den Kindern nicht mal innerhalb Deutschlands in den Urlaub fahren, von Fahrten ins Ausland ganz zu schweigen. Ok, da konnte ich verstehen, dass eine Heirat angestrebt wurde. Aber sonst? Und heute? Wo der Vater mehr oder weniger die gleichen Rechte hat wie die Mutter (zumindest in der Theorie). Also, warum in Dreiteufelsnamen sich das antun? Und dann auch noch freiwillig. Anderes Wort für „Lebensende“, mit drei Buchstaben? EHE!

Na gut, die glückliche Dame hat mich ausgewählt, jetzt muss sie da durch: „Wie kommst Du denn gerade auf mich, hier hocken doch noch jede Menge anderer Leute rum?“ Ihre Antwort, die mich eigentlich nicht so richtig überzeugen kann, aber was soll´s: „Man hat mich gezwungen.“ 

Na gut, DU hast angefangen. Also will ich Deine Frage mal beantworten, ganz, wie´s beliebt: „Da kann ich Dir nichts raten. Denn es gibt keine glückliche Ehe! Dir persönlich kann ich nur sagen: Kehr Deinem zukünftigen Mann den Rücken zu und renn weg, so schnell Du kannst und so weit, wie möglich. Dann besteht nämlich noch die Chance, dass zumindest Du glücklich wirst.“

„Das wollte ich jetzt aber nicht hören!“ „Ja, das ist mir schon klar, aber Du bist selbst schuld, DU hast mich gefragt. Du hättest Dir hier jeden anderen aussuchen können. Aber ich mache Dir einen Vorschlag: Wir treffen uns in genau zehn Jahren hier wieder und dann kannst Du mir sagen, ob ich recht hatte oder nicht.“ Das war 2019, sie hat also noch etwas Zeit.

Zum Abschied gab ich ihr aber noch einen Bonusrat mit: „Ich kann Dir zwar nicht sagen, wie Du in der Ehe glücklich werden kannst, aber ich kann Deinem Mann sagen, wie er in der Ehe glücklich sein kann.“ Erwartungsvolles Schweigen. „Sag ihm einen schönen Gruß von mir. Er soll alles, einfach alles, machen, was Du sagst. Und wenn Du sagst, er soll einen Löffel Zyankali essen, soll er einen Löffel Zyankali essen. Denn alle anderen denkbaren Möglichkeiten, die er hat, sind auf jeden Fall schrecklicher für ihn.“  Damit entließ ich sie in ihr neues Leben. Ob sie meinen Rat an ihren Mann weitergegeben hat, weiß ich leider nicht.

Aber, liebe mittlerweile vermutlich, trotz meiner eindringlichen Ratschläge, Ex-Junggesellin: Falls Du diese Zeilen liest, scheu Dich nicht, Kontakt mit mir aufzunehmen, dann kannst Du ja schon mal einen Zwischenbericht geben.

Epilog:

Da ich nicht weltfremd bin, weiß ich, dass es natürlich auch gegensätzliche Einstellungen gibt. Hierzu zwei Beispiele:

    1.    Ein mit uns befreundetes Paar lebte über zehn Jahre ohne Trauschein glücklich und zufrieden zusammen. Dann haben sie aus irgendeinem Grund doch geheiratet. Und was sagt mir die Frau: „Seit wir verheiratet sind, ist alles nochmal viiiiiiiieeeeeeeel, viel schöner als vorher!!! Allein schon, dass ich meinen Mann mit „das ist mein Ehemann“ vorstellen kann!“ (Brrrrrrrrrrr);

    2.    In einer Radio-Sendung lief ein Quiz: Hörer konnten anrufen und Preise gewinnen. Der Moderator hatte ein zwölfjähriges Mädchen, das eben den Hauptpreis gewonnen hatte, in der Leitung. Wie das so üblich ist, interviewte er sie ein bisschen und irgendwann sagte er dann zu ihr (sinngemäß): „Gell, das freut Dich, dass Du heute gewonnen hast? Das ist bestimmt der schönste Tag in Deinem Leben.“ Und was antwortete das Mädchen? „Ja, ich freue mich über den Gewinn. Aber der schönste Tag in meinem Leben ist das nicht. Der schönste Tag in meinem Leben wird mein Hochzeitstag sein.“……… In diesem Moment lief es mir eiskalt den Rücken runter. Unwillkürlich hielt ich sekundenlang inne und überlegte, ob ich mich nicht vielleicht verhört hätte. Aber nein, sie hatte das tatsächlich gesagt. Ein zwölfjähriges Mädel war schon so auf ihre Rolle konditioniert, dass sie praktisch nur noch, und sei es auch unbewusst, nach ihrem Prinzen Ausschau halten und ihrem Hochzeitstag entgegenfiebern würde. Eine Zwölfjährige! Was wird ihr allein mit dieser Einstellung in ihrem Leben alles entgehen? Und mit dieser Ansicht ist sie mit Sicherheit nicht allein! Wohlgemerkt: Hier und jetzt! Nicht im Mittelalter! Ich fasse es nicht.

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